Erste deutsche Pferdeklappe - letzte Rettung...

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TSV Cordula
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Erste deutsche Pferdeklappe - letzte Rettung...

Beitrag von TSV Cordula »

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Erste deutsche Pferdeklappe Letzte Rettung für verarmte Pferdehalter


04.11.2013 · In die erste deutsche Pferdeklappe kommen fast täglich neue Tiere. Die Besitzer sind finanziell überfordert. Anonym bleiben wollen die wenigsten.

Von Christina Hucklenbroich

Bild

© Christina Hucklenbroich Vergrößern Mit zwei Klappenpferden: Petra Teegen (rechts) und Friederike Gitzel mit einem Islandpferd und einem polnischen Konik-Pony

Ahornbäume und Buchen verbergen die mit einem Elektrozaun verschlossene Koppel. Wer mit Auto und Anhänger hier hält, kann sein Pferd im Schutz der Bäume ausladen. Zu verfehlen ist die Weide nicht: Ein großes Schild am Straßenrand zeigt die Zeichnung eines Mädchens, das zärtlich den Arm um ein Pferd legt. Daneben der Schriftzug: „Pferdeklappe“.

Petra Teegen stapft vorsichtig durch den Morast am Eingang, ihr Terrier Happy ist ihr dicht auf den Fersen. „Darf ich vorstellen: unsere Empfangsjungs“, sagt die Sechzigjährige und zeigt auf die drei Pony-Wallache, die auf der Weide grasen. „Wir haben nämlich keine Empfangsdamen, sondern Empfangsjungs.“ Wenn jemand sein Pferd unangemeldet auf der Weide abstellt, dann braucht der Neuankömmling dringend die Gesellschaft. „Das Pferd ist ein Herdentier. Wird es allein zurückgelassen, schreit es sich die Lunge aus dem Hals und versucht, durch den Zaun zu gehen“, erklärt Teegen.
Die Krankenschwester, die 20 Jahre lang in der Onkologie arbeitete, kümmert sich schon ihr halbes Leben ehrenamtlich um vernachlässigte Pferde. Am 1. Juli hat sie mit einem eigens gegründeten Verein die erste Pferdeklappe Deutschlands eröffnet, in Norderbrarup im Kreis Schleswig-Flensburg, ein paar Kilometer vor der dänischen Grenze. Hier können finanziell überforderte Pferdebesitzer ihre Tiere anonym abgeben. Modell standen die Babyklappen an Krankenhäusern für Eltern in Not.
„Die Leute sind alt und haben das Geld nicht mehr“

Allerdings sind nur drei der bislang mehr als 40 Klappenpferde wirklich anonym abgeliefert worden – darunter die braune Stute Silke. In der für Briefe bestimmten Plastikbox am Zaun fand sich nur ein spärlich beschriebener Computerausdruck: „Das ist Silke. Sie ist 20 Jahre alt und gesund. Ich gebe sie hier in Eure Klappe, weil ich einfach nicht mehr kann.“

Die meisten Pferdebesitzer rufen an, bevor sie ihre Tiere nach Norderbrarup fahren. Für das Wochenende sind gleich fünf Vollblüter aus der Nähe von Hamburg angekündigt. „Die Leute sind alt und haben das Geld nicht mehr“, sagt Teegen. Bislang stammen die Pferde aus der Nähe bis in den Hamburger Raum. Bald will aber jemand Pferde aus Bayern bringen. „Der Winter kommt“, sagt Teegen, „jetzt wird es erst richtig interessant. Jetzt kommen die nicht mehr einzeln, sondern gleich vier oder fünf.“

Was hier geschieht, erinnert an die spektakulären Berichte aus Irland, die in den vergangenen Jahren kursierten. In der Krise entließen verzweifelte Besitzer Pferde, die sie sich im Wirtschafts-Boom angeschafft hatten, einfach in die freie Natur. Im dicht besiedelten Deutschland ist die Klappe für viele Halter die letzte Rettung.

Suche nach Menschen, die für ein eigenes Pferd sorgen können

Die Pferde versorgt Teegen vor der Vermittlung in neue Hände auf ihrem Hof, der nur ein paar Autominuten von der Klappe entfernt liegt. Heute wartet vor dem Stall schon Friederike Gitzel. Die 53 Jahre alte Tierärztin ist Mitglied im Vorstand des Vereins Pferdeklappe e.V., der inzwischen mehr als 40 Mitglieder hat. In ihrer Küche stellt Petra Teegen Kaffeetassen auf den Tisch und legt einen dicken Ordner daneben. Darin hat sie Briefe von Haltern und Fotos von Tierschutzfällen gesammelt.
Sie zeigt auf das Bild einer Holsteiner Warmblutstute, die sie vor einem knappen Jahr aufgenommen hat. Das Pferd war so stark abgemagert, dass man durch die Haut die Knorpelspangen der Luftröhre erkennen konnte. Teegen blättert weiter zum Foto eines schönen braunen Pferdes, das unbeschwert über eine Wiese trabt. Es ist dasselbe Pferd, ein paar Monate später bei seiner neuen Besitzerin. „Die Frau war Mitte 50, Lehrerin“, sagt sie. „Solche Leute suchen wir auch immer für die Klappenpferde.“

Solche Leute: Gemeint sind finanziell abgesicherte Menschen, die auf lange Sicht für ein eigenes Pferd sorgen können. Hört man Petra Teegen und Friederike Gitzel länger zu, bekommt man rasch den Eindruck, dass nicht viele der deutschen Pferde bei solchen Leuten leben. Teegen erzählt von einer Familie, die ihr Pferd nicht auf die Weide stellte, sondern es direkt auf ihren Hof fuhr. Aus dem Auto stiegen fünf weinende Kinder, die nicht einmal Socken in den Schuhen trugen, ein Kleinkind trug nur Flipflops, obwohl es an dem kalten Tag regnete.

Seitdem hat Petra Teegen immer Säcke mit Socken vorrätig, um sie armen Familien mitzugeben. Und arme Familien trifft sie oft. „Was wir hier in Norderbrarup sehen, hat ganz viel mit der Verarmung unserer Bevölkerung zu tun“, sagt sie. „Wir haben ein ganz wackeliges System für die Familien. Sobald einer aus dem System bricht, wenn plötzlich die Ehe kaputt ist oder das Schicksal zuschlägt – dann stürzt alles wie ein Kartenhaus zusammen.“ Ein so teurer Besitz wie ein Pferd beschleunigt dann den sozialen Abstieg. Viel zu lange, sagt Teegen, verdrängten die Menschen den Gedanken, das Pferd abzugeben. „Irgendwie verschiebt sich das Weltbild. Es heißt dann: Pferde lebten ja schon immer draußen.“ Ohne Stall, nur mit einem Flecken Gras, versucht man, das Pferd über den Winter zu bringen.

Petra Teegen war schon oft der Retter in der Not für solche Tiere. Sie wuchs in Eckernförde auf, in einem Haus am Hafen, mit Blick auf die Ostsee. In der Nachbarschaft war eine Pferdeschlachterei. „Wahrscheinlich habe ich daher meinen Fimmel, jedes Pferd retten zu wollen“, sagt sie. Schon als Kind kümmerte sie sich um die Schlachtpferde und um die beiden Kaltblüter, die das Holz aus Schweden von den Schiffen zu den Holzhandlungen zogen. Früh wünschte sie sich ein Pferd. „Meine Mutter war alleinerziehend und sagte: Das geht erst, wenn du groß bist, aber dann werde ich dich auch unterstützen. Früher war das so. Kein Geld, kein Pferd.“

Wissenschaftler beobachten Wandel

Diese Regel galt wohl nur in den ersten Nachkriegsjahrzehnten. Heute ist der Pferdebesitz auch in von Armut bedrohten Schichten angekommen. Teegen und Gitzel glauben, dass die neunziger Jahre den Umschwung brachten: „Damals waren Pferde billig, weil man über lange Zeit zu viele gezüchtet hatte“, sagt Gitzel. Auch der Zusammenbruch der DDR spülte preiswerte Pferde auf den Markt. Später stiegen die Preise für Heu, Land und Energie.
„Vor zehn Jahren betrug die Pacht für einen Hektar Weide 80, 90 Euro, heute sind es 680 Euro“, sagt Teegen. „Ein Rundballen Heu kostete 2001 etwa 17Mark. Jetzt sind es 35 Euro, im Hamburger Raum geht es bis 100 Euro.“ Zudem bauen die Bauern Mais für Biogasanlagen an, statt Boxen und Weiden zu vermieten. „Und dann kann man nur ausweichen auf teure Pensionsställe“, sagt Teegen.

Wissenschaftler beobachten den Wandel schon länger. Der Göttinger Professor Matthias Gauly, der als Tierarzt und Agrarwissenschaftler den Studiengang „Pferdewissenschaften“ leitet, hat im Umkreis von 20 Kilometern um Göttingen Pferdepensions-Betriebe untersucht und festgestellt: „Ein Großteil der Boxen wird für deutlich weniger Geld angeboten, als es kostendeckend und im Sinne des Tierschutzes wäre.“ Damit gehe man auf die finanziellen Engpässe der Kundschaft ein: „Viele Probleme, die wir in der Pferdehaltung haben, rühren daher, dass so viele Menschen Pferde halten, die es sich in Wirklichkeit nicht leisten können.
Will ein Landwirt zum Beispiel alle Pensionspferde dreimal im Jahr entwurmen lassen oder die Boxenmiete um 20 Prozent erhöhen, gibt es sofort Konflikte, weil so viele Pferdebesitzer ökonomisch am Limit sind. Deshalb ist inzwischen auch so viel Unruhe und Fluktuation in den Ställen.“

Das Thema habe vor allem eine Bedeutung für den Tierschutz: „Wegen der angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen die Pferdebesitzer leben, ist es oft nicht möglich, tiergerechtere Haltungssysteme auf einem Pensionshof einzurichten.“
Kampagnen könnten Probleme verschärfen

Für Einwände sind Pferdehalter aber nicht erreichbar. Schließlich geht es häufig um hochemotionale Ziele. „Mit einem Pony oder Pferd will man die eigenen Kinder fördern“, sagt Teegen. „Die Eltern sehen, dass ein Mädchen aus der Schulklasse ein Pferd bekommt. Dann denken sie: Was die können, kann ich auch.“ Auch Gauly kennt den Zusammenhang zwischen Pferdekauf und Eltern-Ehrgeiz: „Man kann nur sportlich erfolgreich sein, wenn man ein Pferd zur Verfügung hat.“ Zwar gibt es auch im Reitsport Talentsichtungen, aber sie setzen erst an, wenn ein Kind durch Erfolg aufgefallen ist. Dafür braucht es zunächst ein Pferd und Eltern oder Unterstützer, die beide zu Turnieren fahren.
„Dass jemand alleine über klassischen Unterricht in der Reitschule zum Spitzensport kommt, schließe ich fast vollständig aus“, sagt Gauly. Bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in Warendorf kennt man das Problem und hat immer wieder über Stiftungen für begabte Kinder aus ganz normalen Verhältnissen nachgedacht. Derzeit kämpft die FN allerdings vorrangig gegen den Mitgliederschwund der Reitvereine – mit Kampagnen wie „Migranten aufs Pferd“, „Reiten als Schulsport“ und einem Arbeitsheft für Kindergärtnerinnen, um schon die Kleinsten zu gewinnen.
Gerade die Kampagnen könnten die Probleme in der Pferdehaltung aber verschärfen. „Durch Kampagnen in Kindergärten und Schulen werden Begehrlichkeiten geweckt, die die meisten Eltern schlicht nicht finanzieren können“, sagt Gauly. „Reiten ist immer noch ein extrem teurer Sport, von dem ein großer Teil der Gesamtgesellschaft ausgeschlossen bleibt.“

Gaulys Sichtweise bestätigen vor allem die deutschen Tierärzte. Die schlechte Zahlungsmoral von Pferdebesitzern ist in der Branche berüchtigt. „Eine große Pferdeklinik hat immer Prozesse am Laufen“, sagt ein Veterinär, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Wenn die Leute nicht zahlen können, behält man das Pferd ein. Das steht dann ein Dreivierteljahr im Stall und frisst dir die Haare vom Kopf. Danach fahren wir es meist zurück nach Hause und binden es dort am Zaun an.“ Der Tierarzt bedauert, dass Pferde so leicht anzuschaffen sind. „Ein Pferd bekommt man auch schnell mal geschenkt“, sagt er. „Da spart einer ja schon 5000 Euro Unterhalt im Jahr, wenn er sein Pferd verschenkt – selbst wenn er es nicht verkauft kriegt.“

Und dass man ein Pferd nicht mehr loswird, ist kein unwahrscheinliches Szenario. Ist das Tier in seinem Pferdepass als „Nicht-Schlachtpferd“ deklariert, darf es nie geschlachtet werden. Ein Pferd erhält diesen Eintrag, wenn irgendwann einmal Arzneimittel eingesetzt wurden, die für Schlachttiere verboten sind. Aber auch einschläfern darf man ein Pferd nur, wenn es so krank ist, dass es schwer leidet. Arme Haltern geraten deshalb schnell in eine verzweifelte Lage.

Auch so erklärt sich der Erfolg der Pferdeklappe. Tatsächlich haben Teegen und ihre Helfer schon einige chronisch kranke Pferde von der Weide geholt. Viele dieser Fälle gingen aber doch noch gut aus. Inzwischen konnte der Verein sogar eine Warteliste einrichten, so viele Menschen möchten ein Klappenpferd aufnehmen. Manchmal muss Teegen allerdings auch Pferde vor den Bewerbern schützen. Um viertel vor zwölf summt Teegens Smartphone.
Die SMS ist von einer Frau, die ein Pferd aus der Klappe übernehmen möchte. Sie bittet inständig und in abenteuerlicher Grammatik, dass Teegen einen Haflingerwallach noch nicht fortgeben möge. Sie habe kein Auto und müsse warten, bis eine Freundin sie nach Norderbrarup fahre und mit ihr gemeinsam das Pferd abhole. Eine Frau, die kein Auto haben kann, aber ein Pferd besitzen möchte? „Das wäre so ein Fall, wo man Stopp sagen müsste“, sagt Teegen. Ihr Verein prüft alle Bewerber genau. Schließlich kosten die Klappenpferde nur etwa 200 bis 300 Euro – ein Betrag, mit dem man die Unkosten wieder hereinholt. Verführen will man damit aber auf keinen Fall jemanden, der sich ein Pferd eigentlich nicht leisten kann.
Tierliebe Grüße
Cordula Lützenkirchen und die 4-beinige Rasselbande :0))

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Helferlein Manu

Re: Erste deutsche Pferdeklappe - letzte Rettung...

Beitrag von Helferlein Manu »

kürzlich kam ein Bericht über die Pferdeklappe und es gibt sie mittlerweile auch auf Facebook.
Ich finde das eine so sinnvolle Einrichtung, schade dass es sie nicht bundesweit gibt.
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